Den roten Faden erkennt man oft erst in der Rückschau
Wie wunderbar ein „Zick-Zack-Lebenslauf“ zu einem erfüllenden Beruf führen kann, habe ich eigentlich schon während der letzten zehn Jahre in meinem Job als Veranstaltungsorganisatorin und Online-Redakteurin in einer Uni-Einrichtung beobachten können. Nicht nur, dass fast alle Kolleg:innen über „Umwege“ an diese Arbeitsstelle gekommen sind und dort eine durch und durch erfüllende Aufgabe gefunden haben. Auch bei den Studierenden, die zur Beratung dorthin kamen, konnte ich immer wieder miterleben, wie wunderbar sich so manches lose Steinchen im Lebenslauf zu einem wunderschönen Mosaik zusammensetzen ließ.
Sag niemals nie
Es fällt natürlich trotzdem schwer, dieses schillernde Bild auch für sich selbst zu erkennen. Zu sehr habe ich – wie so viele andere gewiss auch – die mahnenden und wohl auch besorgten Worte von Eltern, Lehrern oder anderen Erwachsenen im Ohr, möglichst schnell einen guten Job zu finden. Und dafür natürlich fleißig zu lernen und sich zu bemühen. Mit letzterem hatte ich meistens keine Mühe. Lernen macht mir bis heute noch Spaß und Mühe habe ich nur dann, wenn ich den Sinn dahinter nicht erkennen kann. Dennoch – oder genau deswegen? – habe ich an meinen Arbeitsstellen doch immer wieder angefangen, nach anderen Branchen und Tätigkeiten zu schauen. Eine Ausbildung erfolgreich abgeschlossen und gleichzeitig beschlossen, „nie in diesem Bereich“ zu arbeiten. Stattdessen ein Studium begonnen und abgebrochen, dann doch „in diesem Bereich“ (Bibliothek) gearbeitet und dort auch eine ganze Weile Erfüllung und Herausforderung gefunden.
Doch auch das war irgendwann nicht genug und ich schaute mich nach weiteren Möglichkeiten um. Weiterbildungen, die ersten Online-Kurse (ja, es ist schon ein Weilchen her) und schließlich dann doch ein weiteres Studium. Dieses Mal jedoch mit „sozialer Absicherung“, also parallel zum Job im Fernstudium. Das war toll! Es hat mir so viele spannende Einblicke gebracht und ich habe so viele wundervolle und inspirierende Menschen kennengelernt.
Und was passiert, wenn man sich herauswagt und Neues lernt, mit Menschen spricht und in andere Bereiche hineinlugt? Richtig, ich fing wieder an, nach einem mit dem Studium übereinstimmenden Tätigkeitsbereich zu suchen und so weiter und so fort.
Der rote Faden wird sichtbar
Bei jedem Wechsel, bei jedem Neuanfang kamen mir dieselben Zweifel. War ich, wie meine Mutter mir oft vorgeworfen hat, nicht fähig, mal länger bei einer Sache zu bleiben? Bei besagter Arbeitsstelle hatte ich zum ersten Mal den Eindruck, dass es völlig in Ordnung ist, verschiedene Dinge in seinem Leben auszuprobieren. Ja, es ist sogar erwünscht – in einem gewissen Rahmen. Dazu gehört, das Erlebte und Gelernte auch zu reflektieren und diese Erkenntnisse für den weiteren Berufsweg mitzunehmen. Im Studium hatte ich diesen Begriff schon kennen- und lieben gelernt: „Berufsbiographische Gestaltungskompetenz“. Die Kompetenz, sich mit den jeweils neuen beruflichen Situationen auseinandersetzen, sich selbst und die eigenen Fähigkeiten und Kenntnisse einschätzen und für dieses Gesamtbild einen passenden Platz im Arbeitsmarkt finden zu können.
Mit einem relativ kurzen Lebenslauf, wie er bei den meisten jungen Menschen an einer Uni zu finden ist, fällt es mitunter schwerer, Schwerpunkte und Leidenschaften wiederzuerkennen. Mit Ende Vierzig habe ich nun aber schon einige Tätigkeiten ausprobiert, innerhalb der Jobs neue Fähigkeiten entdeckt und Bildung in unterschiedlichen Formen und Formaten erworben. Und ich kann bestätigen: Im Rückblick lässt sich ein eindeutiger roter Faden erkennen: Die Leidenschaft für Wissen, Informationen und Bildung. Und – vor allem – die Überzeugung, dass Wissen für alle zugänglich sein sollte, ebenso wie die Möglichkeit, sich bei der Erarbeitung von Wissen unterstützen lassen zu können.
Für Bildung kommunizieren
Eine meiner ältesten Freundinnen hat schon kurz nach unserer gemeinsamen Berufsausbildung gesehen, dass ich im Bereich Kommunikation meine Stärken habe. Und sie hat es mir auch durchaus mitgeteilt. Ich war aber (noch lange) nicht soweit, dies selbst erkennen zu können und brauchte noch einige Umwege (hier nachzulesen), um mich auf das fokussieren zu können, was ich wirklich leidenschaftlich mache: Anderen dazu verhelfen, Informationen, Wissen und Bildungsanlässe zu finden. Diejenigen, die sich für Bildung stark machen, die Menschen beraten und gemeinsam mit ihnen noch unentdeckte Talente und Fähigkeiten harusarbeiten. Die möchte ich sichtbar machen, damit noch mehr Menschen die Möglichkeit finden können, sich weiterzuentwickeln und so vielleicht auch an ihrem roten Faden weiterzuspinnen. Und ganz nebenbei habe ich meinen Spaß daran, mit Worten, Bildern und Farben zu arbeiten und schöne Ergebnisse zu gestalten.
Wie hat meine ehemalige Chefin so gerne zitiert? „Umwege erhöhen die Ortskenntnis“ – und genau so ist. Ich kenne meinen „Ort“ nun schon ziemlich gut. Doch wer weiß? Vielleicht entdecke ich doch noch den ein oder anderen versteckten Weg?